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Publication details

Publisher: Metzler

Place: Stuttgart

Year: 2000

Pages: 166-173

Series: Kleist-Jahrbuch

ISBN (Hardback): 9783476017093

Full citation:

Peter Dettmering, "Die Sprachduelle in den Dramen Kleists", in: Kleist-Jahrbuch 1999, Stuttgart, Metzler, 2000

Die Sprachduelle in den Dramen Kleists

Peter Dettmering

pp. 166-173

in: Kleist-Jahrbuch 1999, Stuttgart, Metzler, 2000

Abstract

Sprache ist derjenige Bereich, der bei einem Interessenkonflikt am frühesten und sensibelsten reagiert. Eine der Formen, wie sich ein solcher Konflikt sprachlich abbildet, ist der Streit: Im antiken Drama findet er sich in Form der Stichomythie, der schnellen Wechselrede zweier Kontrahenten, etwa zwischen Ödipus und Kreon, Kreon und Antigone. Kleist bedient sich in der Regel einer für ihn charakteristischeren, spezifischeren Variante dieses Verfahrens: Er nimmt ein bestimmtes Wort, das für beide Konfliktgegner von Bedeutung ist, und rückt dieses in eine Doppelbeleuchtung, die es aus der Perspektive des einen anders erscheinen läßt als aus der des anderen. Das betreffende Wort wird in diesem Vorgang konkretisiert, verdinglicht. Indem es rasch zwischen den Kontrahenten hin- und zurückwandert, ja man kann fast sagen: hin- und hergeschleudert wird, ändert es blitzschnell seine Bedeutung, in Abhängigkeit von der Person dessen, der es gerade verwendet. Wo zwischen zwei Figuren eine unüberbrückbare Spannung besteht oder ein bestimmter Sachverhalt extrem unterschiedlich beurteilt wird, wird die Kommunikation in diesem Sinne konkretistisch. Ich möchte hier nicht verschweigen, daß dieser Terminus in der Psychiatrie zur Kennzeichnung psychopathologischer Phänomene verwendet wird; ein Zusammenhang besteht wohl allenfalls darin, daß dem Psychiater, der häufig derartige Phänomene beobachtete, etwa gleichzeitig der konkretistische Sprachgebrauch in den Arbeiten Kleists auffiel.1 Das Gemeinsame ist wahrscheinlich, daß Konkretismus in eine seelische Frühzeit zurückreicht, in der die Fähigkeit zur Abstraktion noch instabil ist. Konkretistischer Sprachgebrauch ist mit anderen Worten gleichbedeutend mit Regression: Während jedoch diese Regression vom psychiatrischen Patienten dumpf erlitten wird, kann der Dichter sich ihrer als einer Erweiterung seiner Ausdrucksmöglichkeiten aktiv bedienen.

Publication details

Publisher: Metzler

Place: Stuttgart

Year: 2000

Pages: 166-173

Series: Kleist-Jahrbuch

ISBN (Hardback): 9783476017093

Full citation:

Peter Dettmering, "Die Sprachduelle in den Dramen Kleists", in: Kleist-Jahrbuch 1999, Stuttgart, Metzler, 2000