

Mediale Transformationen
Faust bei Klaus und Thomas Mann
pp. 339-347
in: Carsten Rohde, Thorsten Valk, Mathias Mayer (eds), Faust-Handbuch, Stuttgart, Metzler, 2018Abstract
Der Ort: Weimar. Die Zeit: tiefdunkle Nacht. Eine sinistre Gestalt schleicht durch das finstere Goethe-Haus. Es ist Mephisto, der als von Goethe in Dichtung gebannter Geist immer wieder an die Stätte seiner Fiktionalisierung zurückkehrt, allein um welchen Preis: Mephisto muss verstört erkennen, dass die deutsche Kultur verfällt, was er an der Trübung deutscher Nebensätze ablesen kann, die sein »geliebtes Deutsch« zu einem unklaren Gestammel verkommen lässt (Ludwig 2003, 73). Schuld daran trägt »Herr Tommy«, dessen Prosa schwach, verworren und ungelenk ist und deren Wirkung seinen Famulus »pervers und schwer verhastet« macht (ebd.). Thomas Mann erscheint in dem boshaften Dramolett Tommy in Weimar von Emil Ludwig als untalentierter, leicht schwachgeistiger Usurpator in Goethes Reich, der nicht nur Goethes Haus, sondern auch gleich die gesamte deutsche Literatur und Sprache an sich reißt. Schlimmer noch: Der ›faustische‹ Herr Tommy schickt sich an, Goethe in einer Phiole zu erschaffen, was natürlich bös misslingt: »O mein Produkt, du sprichst ja nicht wie ich! / Wo bleibt das Tommy-Deutsch, so pimperlich? – / Doch weh! Es nebelt! Daß ich mich entsetze! / Welch ein Gespenst bracht" ich in's Haus! / Schon sieht's wie Gerhart Hauptmann aus!« (Ebd., 81) Mephisto klagt Herrn Tommy an, in seiner literarischen Alchemistenküche die Feuilletonisierung der deutschen Kultur zu betreiben, indem er Goethe durch die verzerrende Brille der Freudschen Psychoanalyse betrachtet und die gesamte Sophien-Ausgabe zu einem kleinen Roman einkocht.