Natürliche Entwicklung, Anwendung der inneren Form und die Blendung durch die Bildungsphilister - Über einige Grundlagen der Bestimmung von Jugend

pp. 48-57

in: Heinz Abels, Jugend vor der Moderne, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 1993

Abstract

Viele der Grundannahmen der organischen Reifungstheorien entsprachen dem, was "jedermann" wußte. Das wiederum schien sich aus der "Natur der Sache" zu ergeben. Dies war aber keineswegs der Fall, denn die Geschichte des gesellschaftlichen Phänomens Jugend ist die Geschichte einer Kontroverse.¹⁾ Die "Natur der Sache" war ein Bild, das die Gesellschaft im Laufe von noch nicht einmal zwei Jahrhunderten gelernt hatte. An der Entstehung dieses Bildes waren vor allem zwei geistige Strömungen beteiligt. Die eine geistige Strömimg war die Aufklärung, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert den Glauben nährte, daß sich irgendwann im Laufe der Entwicklung der Menschheit die Vernunft durchsetzen werde und daß jeder einzelne Mensch zumindest prinzipiell an dieser positiven Entwicklung teilhaben könne. Die andere geistige Strömung war die naturphilosophische Strömung, die durch die Evolutionstheorie von Darwin beeinflußt war. Aus dieser Richtung kam die Annahme, daß die Geschichte der Entwicklung der Arten die Geschichte einer Aufwärtsentwicklung sei und daß sich diese Aufwärtsentwicklung auch in der individuellen Entwicklung eines Menschen zeige.