

Die Studiensemester an der Universität in Breslau (1911–1913)
pp. 32-46
in: , Edith Steins philosophische Entwicklung, Berlin, Springer, 1987Abstract
Der Wechsel von der Schule an die Universität bringt einen markanten Wandel im Befinden E. Steins mit sich. Das häufige Kranksein hat sie abgelegt, nun erstarkt sie physisch und psychisch, was sogleich die alte Überheblichkeit aufkommen lässt. In ihrer Selbstbiographie vermerkt sie beispielsweise in bezug auf einen Freund, der wegen heftiger Migräneanfälle häufig arbeitsunfähig war: «Da ich meine ganze Studienzeit hindurch immer völlig frisch und gesund war, so hatte ich für ihn immer etwas von dem Mitleid gegenüber dem vital Schwächeren.»1 Der Beginn einer psychischen Veränderung bekundet sich darin, dass E. Stein aus ihrer selbstgewählten Einsamkeit heraustritt, Anschluss an Gleichgesinnte sucht und findet. Das elterliche Haus bleibt Wohnort, dient aber vorwiegend als Schlaf- und Speisestätte: Für «das Familienleben blieb mir kaum noch Zeit übrig. Meine Angehörigen bekamen mich fast nur noch bei den Mahlzeiten zu sehen — und auch da nicht einmal immer. Kam ich zu Tisch, so waren meine Gedanken meist noch bei der Arbeit, und ich sprach wenig», denn «meine philosophischen Probleme waren nichts für den Familientisch»2. Viel besser und ausführlicher liess sich hierüber in einem kleinen Freundeskreis sprechen.